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Werbeversprechen auf dem Prüfstand: Die Health-Claims-Verordnung der EU

 

Seit mehr als 10 Jahren soll uns die Verordnung zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen für Lebensmittel vor irreführenden Werbeslogans schützen. Längst überfällig ist die Anwendung des geltenden Rechts auf Lebensmittel mit pflanzlichen Stoffen.

 

„Stärkt die Abwehrkräfte“, „Fördert die Leistungsfähigkeit“ – mit diesen und ähnlichen Werbeslogans auf Lebensmittelverpackungen wurde Verbraucherinnen und Verbrauchern bis vor einigen Jahren suggeriert, dass sie ihrer Gesundheit beim Kauf des Produkts etwas besonders Gutes tun. Bis die EU im Jahr 2006 beschloss, der unkontrollierten Ausbreitung nicht beweisbarer Aussagen auf Lebensmitteln zur Gesundheit einen Riegel vorzuschieben. Die Health-Claims-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel trat in Kraft. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wurde damit beauftragt, die Werbeversprechen zu überprüfen. Sechs Jahre dauerte es, bis die Europäische Kommission im Mai 2012 schließlich eine Liste mit erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen („Claims“) veröffentlichte. Diese wird seitdem fortlaufend erweitert und beinhaltete Ende 2020 rund 250 Aussagen*.

 

Zugelassen hat die EU überwiegend Claims für Vitamine und Mineralstoffe. Hersteller dürfen beispielsweise damit werben, dass Vitamin C zur normalen Funktion des Immunsystems beiträgt oder Calcium für die Erhaltung normaler Knochen benötigt wird**. Von einem Verbot waren hingegen rund 1.600*** gesundheitsbezogene Werbeslogans betroffen, da für sie kein Nachweis erbracht werden konnte. So ist seit 2012 zum Beispiel die Aussage verboten, dass sich probiotische Joghurts positiv auf das Immunsystem auswirken****.

 

Generell unterteilt die EU-Verordnung die Claims in drei verschiedene Kategorien:

1.     Nährwertbezogene Angaben: Darunter fallen alle Aussagen, die beinhalten, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften zum Beispiel durch enthaltene Substanzen oder Nährstoffe besitzt („reich an Calcium“)

2.     Gesundheitsbezogene Angaben: Dies sind Aussagen zum Zusammenhang zwischen dem Nährstoff oder Lebensmittel und der Gesundheit des Menschen („Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen und Zähne benötigt“)

3.     Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos: Diese stellen den Zusammenhang her, dass die Aufnahme eines Nährstoffs das Risiko für die Entwicklung einer Krankheit deutlich senken kann („Hafer-Beta-Glucan verringert nachweislich den Cholesteringehalt im Blut. Ein hoher Cholesterinwert gehört zu den Risikofaktoren für die koronare Herzerkrankung.“)

 

Sonderfall Lebensmittel mit pflanzlichen Stoffen: Seit mehr als 10 Jahren steht eine Bewertung aus

Einen Sonderfall in der Health-Claims-Verordnung stellen Lebensmittel dar, die pflanzliche Stoffe enthalten, sogenannte Health Claims für Botanicals: Seit mehr als 10 Jahren steht die Prüfung der Wirkung von Pflanzen und Pflanzeninhaltsstoffen aus. So wurde für diese Produkte die Umsetzung der Verordnung von der Kommission gestoppt, als absehbar war, dass viele der Aussagen nicht ausreichend wissenschaftlich belegbar sind. Nach wie vor gelangen also Produkte auf den Markt, deren gesundheitsbezogene Angaben nicht wissenschaftlich belegt sind. Darüber hinaus sind sie in ihrer Aufmachung – zum Beispiel bei der Packung und Darreichungsform – Arzneimitteln sehr ähnlich. Einer Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher sind somit Tür und Tor geöffnet.Zehn Jahre Irreführung durch nicht belegte gesundheitsbezogene Aussagen müssen ein Ende finden“, kommentiert Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). „Deutschland sollte hier auf EU-Ebene Druck machen, damit geltendes Recht endlich umgesetzt wird. Produkte mit nicht geprüften Gesundheitsaussagen gehören nicht auf den Markt.“

 

Rund 2.000 Health Claims zu pflanzlichen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln werden derzeit europaweit verwendet, ohne dass geklärt wäre, ob diese zulässig sind. Neben einer möglichen Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher entsteht hier auch eine Benachteiligung für Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Mit der momentanen Praxis werden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel, die den Wirknachweis ihrer Präparate erbringen und viel Geld in die Forschung und Zulassung investieren, entschieden benachteiligt. Während pflanzliche Arzneimittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten vorgesehen sind, haben Nahrungsergänzungsmittel einen Ernährungszweck und sollen primär der Gesunderhaltung dienen. Hier ist eine klare Abgrenzung der beiden Produktkategorien längst überfällig.

 

 

 

Quellenangaben:

* EU Kommission: EU-Verordnung 432/2012

** EU Kommission: EU Register of nutrition and health claims made on foods

*** Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

**** Verbraucherzentrale 

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