Verlässliche politische und formale Rahmenbedingungen sind die wichtigste Voraussetzung, damit sich Investitionen in Forschung und Entwicklung auszahlen.
Forschung in der Wirtschaft funktioniert im Allgemeinen nicht auf Knopfdruck durch staatliche Innovationsförderung. Und nicht in allen Branchensegmenten ist sie gleichermaßen sinnvoll. Natürlich brauchen gerade Start-ups gezielte Anschubfinanzierung, die bis zur Translation auf nährbaren Boden fallen muss. Forschung und Entwicklung (F&E) in bereits etablierten Firmen läuft dagegen anders. Hier trägt der Unternehmer bewusst Kosten und Risiken selbst und benötigt keine an Ziele gebundene finanzielle staatliche Unterstützung. Viel wichtiger sind ihm verlässliche politische und formale Rahmenbedingungen, damit sich die Investitionen in F&E auszahlen. Ein angemessenes Return of Investment (ROI) ist für innovierende Pharma-Firmen immer noch die beste Forschungsförderung. Leider gibt es hierzulande sowohl bei Innovationen auf Basis neuer als auch auf Basis bewährter Wirkstoffe immer noch hohe Hürden. Das Preismoratorium, das AMNOG und das Festbetragssystem sind nur einige Beispiel.
Nicht erst seit der Coronapandemie wissen wir, dass innovative Arzneimittel sowohl medizinisch als auch gesellschaftlich dringend notwendig sind. Und staatliche Anreize können von Fall zu Fall auch sinnvoll sein. F&E von Arzneimitteln ist extrem kostenintensiv, risikoreich und zeitlich aufwendig, Von 10.000 möglichen Wirkstoffkandidaten schafft es oft nur ein einziger als Arzneimittel in die Versorgung, es ist also die Suche der Stecknadel im Heuhaufen. Da reicht es beispielsweise nicht, wenn die Bundesregierung mit dem Programm Nationale Dekade gegen den Krebs das Ziel setzt, das Leiden zu bekämpfen und sie dann im Bundeshaushalt nur 60 Mio. Euro für die nächsten 10 Jahre zur Verfügung stellt. Zwar sind damit und auch dank der Auswahl von vier Nationalen Centren für Tumorerkrankungen (NCT) erste Voraussetzungen für neue Therapien erfüllt worden. Dass eine mögliche Therapie Marktreife erlangt, ist damit aber noch lange nicht sicher, denn die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs liegt oft bei einer Milliarde Euro und mehr. Hier kommt es jedoch nicht nur auf finanzielle Anreize oder Fördergelder an, sondern vor allem auf ein gutes Investitionsklima, das Investoren in ihrem Mut zum Risiko bestärkt.
Die Industrie braucht effiziente und transparente Genehmigungsverfahren auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber eben entsprechende Rahmenbedingungen, um die risikoreichen Investitionen in die teuren und aufwendigen Phasen der Medikamentenentwicklung, insbesondere die klinischen Prüfungen, zu tätigen. Für Start-ups und junge KMU bietet sich z.B. ein Fondsmodell wie z.B. der schweizerische Zukunftsfond an, wo private Anleger Steuervergünstigung erhalten, wenn sie in risikoreiche, aber für die gesamte Gesellschaft wichtige Entwicklungsprojekte, investieren. Auch die Bundesregierung plant zwar mittlerweile einen derartigen Fond. Ein richtiger Schritt ist auch die durch die Coronapandemie angepasste Forschungszulage in Form einer steuerlichen Förderung von Forschung & Entwicklung, die allen Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, zur Verfügung steht.
Innovationen sind nicht nur für die Versorgung der Patienten von überragender Bedeutung. Sie sind auch unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Deutschland in der Welt wirtschaftlich weiterhin ganz oben mitspielt und seinen Wohlstand auch in Zukunft erhält. Deswegen bin ich sehr dafür, das Innovationsprinzip parallel zum Vorsorgeprinzip bei der Gesetzgebung und behördlichen Entscheidungen einzuführen. Die beste Förderung der Grundlagenforschung oder ein beispielhaftes Investitionsklima für Innovationen nützt nichts, wenn Gesetze unter dem Diktat des Sparens erstellt und damit Neuerungen verhindern werden. Prominenteste Beispiele aus dem Arzneimittelsektor sind Preismoratorium, AMNOG und das Festbetragssystem. Sie verhindern Jahr um Jahr die Weiterentwicklung bewährter Wirkstoffe, beispielsweise für neue Patientengruppen wie Kinder oder ältere Menschen und schlimmstenfalls sogar den Zugang zu neuen Therapien für die Patienten.
Dies hat nicht nur Konsequenzen für den Forschungsstandort Deutschland. Auch die Produktion wandert ab und schwächt somit unsere Exportnation. Denn Unternehmen produzieren dort, wo geforscht wird. Da sich die Forschung an generischen Substanzen aufgrund der Preisregulierungsgesetze für die Pharmaindustrie und der Aussichtslosigkeit einer angemessenen Erstattung für Neues auf diesem Gebiet, kaufmännisch betrachtet nicht lohnt, sind die meisten Produktionsstätten für generische, chemisch definierte Wirkstoffe kaum noch in Deutschland zu finden. Diesen Fehler wiederholt Deutschland nun bei der Umsetzung des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV): Biopharmazeutika sollen billiger werden, darum sollen sie ab spätestens 2022 in der Apotheke automatisch gegen Nachahmerpräparate ausgetauscht werden. Der Biopharmazeutika-Standort Deutschland, derzeit an der Spitze weltweit, wird dadurch unterminiert, eine Abwanderung von Forschung und Produktion sind nur eine Frage der Zeit.
Mein Fazit: Eine staatliche Förderung der Grundlagenforschung ist richtig und für Deutschland als „Land der Ideen“ von grundlegender Bedeutung. Sie führt oft zu Spin offs aus dem akademischen Umfeld, die die Gründerszene Deutschland bereichern. Die meisten anderen Unternehmen (Mittelstand, Konzerne) brauchen aber viel dringender Rahmenbedingungen, die den ROI bei Innovationen ermöglichen. Die Politik muss insgesamt innovationsfreundlicher handeln und nicht nur so reden. Es nützt beispielsweise nichts, wenn das BMBF Grundlagenforschung fördert, die das BMWi nicht in der Entwicklung unterstützen kann und wo am Ende das BMG Gesetze erlässt, die die Aufnahme wichtiger Therapieneuigkeiten verhindern. Damit gefährdet man den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland, seinen Wohlstand und am Ende auch die bestmögliche Versorgung der Menschen.
Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V.
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