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„Es werden sich therapeutische Möglichkeiten erschließen, von denen wir heute nur ahnen können“

Verbesserte Arzneimittel, schnellere Ergebnisse, günstigere Forschung: BPI-Experte Prof. Jens Peters über Künstliche Intelligenz als Zukunftsmotor in der Pharmaindustrie

    

Professor Peters, was für Perspektiven eröffnet Künstliche Intelligenz der Pharmaindustrie?

Prof. Jens Peters: Künstliche Intelligenz bedeutet für alle Branchen neue, ungeahnte Möglichkeiten. Das trifft natürlich sowohl auf die pharmazeutische Industrie, als auch auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten zu, denn das eine ist mit dem anderen verknüpft. Insbesondere für die Pharmaindustrie ist KI insofern interessant, als dass hier die Entwicklung neuer Produkte im Fokus steht und diese durch KI wesentlich verbessert und beschleunigt werden kann. Wir werden auch neue Perspektiven erhalten, welche therapeutischen Möglichkeiten sich uns in Zukunft erschließen, von denen wir heute nur ahnen können. Patientinnen und Patienten können davon profitieren, wenn neue innovative Produkte entwickelt und bereits zur Verfügung stehende Arzneimittel weiter verbessert werden. Neben der Optimierung von in der Anwendung befindlichen Therapien oder Medizinprodukten könnte KI sicher auch dazu beitragen, neue Einsatzgebiete zu identifizieren.

 

Nennen Sie uns doch bitte einmal ein konkretes Beispiel für KI in der Pharmaindustrie.

Da wäre zum Beispiel die Weiterentwicklung von Verfahren im Rahmen der klinischen Forschung zu nennen. Man kann mithilfe von KI bestimmte Patientenkontrollgruppen – sogenannte Kontrollarme – in klinischen Prüfungen simulieren. So braucht man keine „echten“ Kontrollpatienten mehr, sondern nimmt durch KI aufbereitete Daten, die man bereits im Rahmen anderer Datenerhebungen von solchen Patientengruppen gewonnen hat. Anhand dieser Daten kann man entsprechende Simulationen gestalten, so dass dann diese Patienten nicht mehr in bestimmte klinische Prüfungen eingeschlossen werden müssen. Das vermeidet, dass unnötig Studien mit ihnen durchgeführt werden müssen, was aus ethischer Sicht einen enormen Fortschritt darstellt, und das spart natürlich viel Zeit in der Forschung und finanzielle Ressourcen, die dann an anderer Stelle in der Entwicklung eingesetzt werden können. Die Entwicklung solcher Produkte wird unter diesen Bedingungen somit beschleunigt und optimiert, denn man kann schneller zu Ergebnissen kommen und früher beurteilen, ob die Entwicklung eines Arzneimittels in die richtige Richtung geht oder nicht.  

 

Wo wird die Reise künftig noch hingehen, was macht Künstliche Intelligenz möglich?

Die Möglichkeiten scheinen aktuell unendlich, zumal KI auch mit machine learning und ähnlichen Dingen verbunden ist. Diese neuen Algorithmen, die neuen Daten, die ja in enormen Mengen tagtäglich hinzukommen, eröffnen immer neue Optionen. Je mehr Daten in das System hineinkommen, je mehr neue Algorithmen sich ableiten lassen, je mehr diese Algorithmen mit immer neueren Daten arbeiten und immer neuere Entscheidungen treffen können, umso größer wird die Einsatzbreite von KI.

 

Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Patientendaten beim Einsatz von KI in der Pharmaindustrie? Welche Potentiale liegen hier?

Die Verfügbarkeit von Patientendaten spielt eine große Rolle und bietet ein enormens Potential von hohem Nutzen für jeden Einzelen von uns. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit neuen Services wie den Digitalen Gesundheitsanwendungen, der elektronischen Patientenakte, dem eRezept und der Telemedizin verändert die Art und Weise der Gesundheitsversorgung grundlegend – insbesondere auch in Bezug auf die Verfügbarkeit von individuellen Patientendaten über Sektorengrenzen hinweg. Für die Forschung und Entwicklung in der Pharmaindustrie sind Gesundheitsdaten so wichtig, weil mit ihrer Hilfe patientenindividuelle Arzneimitteltherapien verbessert werden und neue Therapiekonzepte entstehen können.

 

Dies muss sicher den Patientinnen und Patienten noch besser kommuniziert werden, hier gibt es ja vielerorts noch Skepsis...

Das ist völlig richtig, Patientinnen und Patienten gilt es miteinzubeziehen. Es muss verständlich und greifbar sein, welche Vorteile sie davon haben und was es bedeutet, Daten bereitzustellen, für sie selbst, aber auch für die Gesellschaft – für die Entwicklung neuer, besserer Produkte, für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Patientinnen und Patienten müssen auf diese Reise mitgenommen und transparent in die Entwicklung eingebunden werden.

 

Stichwort Fachkräftemangel – ist es für Pharmaunternehmen schwierig, geeignete Beschäftigte zu finden, die sich speziell im Bereich KI auskennen?

Zum einen müssen die Beschäftigten natürlich entsprechend den Anforderungen der neuen Technologien vorbereitet, geschult und in den Entwicklungsprozess eingebunden sein. Dazu gehört auch, ihnen die Vorteile neuer Systeme zu veranschaulichen. Den Sorgen um den drohenden Fachräftemangel kann man sicher auch mit KI begegnen. Zumal sie bei der Arbeitnehmersuche hilft: Aktuell geht die Reise dahin, dass man Algorithmen nutzt, um schneller arbeitssuchende Spezialistinnen und Spezialisten mit den Unternehmen zusammenzubringen. Es gibt mittlerweile verschiedene Systeme, die sehr effizient arbeiten. 

 

Zur Person: Prof. Jens Peters studierte Tiermedizin und Pharmazie an der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin. Nach beruflichen Stationen u.a. als Tierarzt und Mitarbeiter eines Auftragsforschungsinstituts arbeitet er seit fast zehn Jahren beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI e. V.). Prof. Peters leitet die Geschäftsfelder Klinische Forschung und Tierarzneimittel. 

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